Im Jahr 2003 wurden zwei meiner TV-Dokumentationen mit dem „Adolf-Grimme-Preis Spezial“ ausgezeichnet.
Ich erhielt den Preis für Buch und Regie dieser Filme:
„Der Mörder meiner Mutter. Eugénie will Gerechtigkeit“ (60min arte/SWR)
„Gott segne unseren Überfall! Ein Liebespaar kämpft gegen die Nazis“ (45min SWR)
Begründung der Jury:
Eugenie Musayidire hat ihre Mutter verloren. Sie wurde getötet, wurde ein Opfer des Völkermordes in Ruanda, erschlagen mit einer Axt, ermordet von einem Nachbarsjungen. Der Mörder ein Hutu, die Ermordete eine Tutsi – eine banale Erklärung, die letztlich keine ist, weil sie mehr offen lässt, als sie deutlich macht. Eugenie Musayidire, die Ende der siebziger Jahre auf der Flucht vor politischer Verfolgung nach Deutschland kam, erfährt im April 1994 vom Tod ihrer Mutter und ihres Bruders. Sie versteht nicht, warum geschehen musste, was geschah, und so macht sie sich Jahre später auf, in ihrem Heimatdorf in Ruanda dem Mörder ihrer Mutter in die Augen zu schauen, dabei zu sein, wenn er vor Gericht steht, mit ihm zu reden. Sie macht sich auf zu verstehen. Martin Buchholz begleitet sie.
Diet Eman war 20 Jahre alt, als die Nazis die Niederlande besetzten. Gemeinsam mit ihrem Freund Hein Sietsma organisiert die gutbürgerliche keusche Christin den Widerstand gegen die unmenschlichen Besatzer. Erst verstecken sie befreundete Juden, später besorgen sie sich Waffen und überfallen deutsche Behörden, um mit den erbeuteten Lebensmittelkarten und Pässen die Versteckten zu versorgen. Beide werden gefasst und müssen ins Konzentrationslager. Diet Eman überlebt, ihr Freund nicht. Mit 82 Jahren kehrt die in den USA lebende Widerstandskämpferin heim nach Holland. Sie erzählt ihre Geschichte, eine Geschichte, in der Widerstand Pflicht ist, weil man nicht tatenlos zusehen kann, wenn Unrecht geschieht. Martin Buchholz begleitet sie.
In den Dokumentationen „Der Mörder meiner Mutter“ und „Gott segne unseren Überfall“ von Martin Buchholz geht es um Grausamkeiten, verübt von Menschen, erlitten von Menschen, miterlebt von Menschen. Es geht um das Unfassbare, das Menschen einander antun, das Menschen einander zumuten. Martin Buchholz findet sich mit dieser Unfassbarkeit nicht ab. Er macht greifbar, was geschehen ist. Er will, dass nicht nur jene verstehen, die zu den Opfern gehören, er will auch den Tätern und jenen, die ihnen beistehen, helfen zu begreifen, was wirklich geschehen ist.
Martin Buchholz begleitet Menschen und übersetzt für sie und seine Zuschauer das Miterlebte und Erzählte in eine filmische Form, die in ihrem bescheidenen Dabeisein sehr eng ans Grauen führt, ohne auch nur eine Sekunde mit dem Schrecken zu spielen. Martin Buchholz kommt seinen Protagonisten sehr nah und respektiert doch stets die Grenze zur Intimität. Martin Buchholz liefert Bilder, die mehr deutlich machen als ganze Bücher. Einmal zeigt er in Ruanda die Ruine, in der die getötete Großmutter einst lebte. Dann zieht die Kamera auf, und einen Steinwurf entfernt ist das Haus des Mörders zu sehen. So nahe waren sich Tutsi und Hutu. So nahe wohnt manchmal das Verderben.
Wenn ein paar mehr Menschen inzwischen ein wenig besser verstehen, was sich in Ruanda und im besetzten Holland wirklich abspielte, dann ist das auch den großartigen Dokumentationen des Martin Buchholz zu verdanken.